1889

Früher mussten die meisten Kinder auch in unserer Gegend arbeiten gehen, damit die Familie genug zum Leben hatte. Nur reiche Familien konnten sich eine gute Ausbildung für ihre Kinder leisten, oft auch durch Privatlehrer. In vielen Ländern der Welt ist das heute noch so.
1871 wurde Deutschland gegründet. Danach begann man, die schulische Bildung für Kinder und Jugendliche aufzubauen. Dabei hatten Jungen aus reichen Familien einen klaren Vorteil: Ihre Eltern konnten Schulgeld bezahlen und nur Jungen durften das Gymnasium besuchen und später studieren.
1889 wurde in Aachen die „Städtische Mädchen-Mittelschule in der Wespienstraße“ gegründet. Daraus wurde 80 Jahre später die „Luise-Hensel-Realschule“. Bald wurden über 260 Schülerinnen unterrichtet. Es gab damals keine Grundschule wie heute und Mädchen durften ja nicht aufs Gymnasium. Darum besuchten die Schülerinnen die Mädchenmittelschule von der 1. bis zur 7. Klasse und bekamen danach einen anerkannten Schulabschluss.

 

1891-1919

Die erste Schulleiterin war Johanna Paulus, die nach über 30 erfolgreichen Dienstjahren 1919 in den Ruhestand verabschiedet wurde.
Die Zahl der Schülerinnen, die die Mädchenmittelschule besuchen wollten, stieg schnell an. Es wurden viele neue Lehrpersonen eingestellt und schon 1891 wurde die „Mädchenmittelschule II“ in der Jesuitenstraße errichtet.
Auch für den Besuch der Mädchenmittelschule mussten die Familien Schulgeld bezahlen.
Im November 1905 zog die „Mädchenmittelschule I“ in die Beeckstraße um. Die Schülerinnenzahl stieg: 1914 besuchten über 640 Schülerinnen die Schule. Das Schulgebäude musste immer wieder ausgebaut und erweitert werden.

1919-1945

1921 wurde eine vierjährige „Grundausbildung“ eingeführt, die spätere „Grundschule“. Die Mädchenmittelschule begann nun mit der 5. Klasse.
Schulleiterin 1921 – 1926 war Frau Helmig, auf sie folgte Clementine Stentrup. Mit Frau Stentrups Dienstantritt wurde erstmals eine Schreibhilfe für die Schulleitung eingestellt.
Im Schuljahr 1928/29 wurde die „Mädchenmittelschule II“ von der Eilfschornsteinstraße mit der „Mittelschule I“ in der Beeckstraße zu einer Schule zusammen gelegt.
1929 wurde die erste Aufbaurealschule gegründet. Seitdem konnten auch begabte Volksschülerinnen nach der 7. Klasse weiter zur Schule gehen.
Wegen der schlechten wirtschaftliche Situation (Weltwirtschaftskrise 1929-1932) konnten es sich viele Eltern nicht mehr leisten, Schulgeld zu zahlen. Außerdem gingen die Geburtenzahlen zurück. Die Zahl der Schülerinnen sank.
Nach den Reichstagswahlen von 1932 und 1933 wurde der Schulalltag zunehmend von der Nazi-Diktatur geprägt. Wer aus Sicht der Nazis „jüdisch“ war, musste die Schule verlassen. Auch Lehrer, die die Nazis kritisierten, wurden entlassen und verfolgt. Die Schule sollte treue Anhängerinnen Hitlers erziehen.
Der Kriegsanfang 1939 brachte weitere Veränderungen im Schulalltag mit sich: Der Unterricht wurde bald in Vor- und Nachmittagsschichten eingeteilt, weil jetzt auch die Knabenmittelschule in das Gebäude Beeckstraße einzog.
In den letzten Kriegsjahren wurde Aachen durch zahlreiche Bombardierungen schwer zerstört. Da Hitler die Kapitulation der Stadt verboten hatte, wurden die Einwohner im Spätsommer 1944 evakuiert und das normale Leben kam zum Erliegen. Während des Häuserkampfes vor der Befreiung wurden 1944 viele Gebäude schwer beschädigt.

1945-1970

Nach Kriegsende 1945 wurde Clementine Stentrup, ehemalige Leiterin der Mädchenschule, von den Alliierten beauftragt, das Mittelschulwesen in Aachen wieder aufzubauen. Das Gebäude der Knabenmittelschule in der Heinzenstraße wurde notdürftig wieder hergerichtet und diente auch der Mädchenmittelschule als provisorische Unterbringung. Im Januar 1946 wurde der Unterricht wieder aufgenommen – wegen des Raummangels in drei Schichten.
Nach erfolgreichem Aufbau des Mittelschulwesens in Aachen schied Clementine Stentrup 1950 aus dem Schuldienst aus. Nachfolgerin wurde Johanna Gülpen.
Im April 1953 zog die Schule in das neue Schulgebäude in der Franzstraße ein. 1955 wurde aufgrund der hohen Schülerinnenzahl die Teilung der Schule in zwei selbstständige Schulsysteme beschlossen. 338 Schülerinnen zogen mit drei Aufbauklassen als „Mädchenmittelschule II“ in die Eilfschornsteinstraße. Die verbleibenden 696 Schülerinnen wurden weiterhin im Neubau Franzstraße unterrichtet.
Im Herbst 1959 begannen Vorplanungen für ein neues Schulgebäude im Gillesbachtal in Burtscheid für 750 Schülerinnen. Bereits im September 1963 begann der Unterricht im Neubau des Schulgebäudes Im Gillesbachtal. 1964 feierten 685 Schülerinnen und 28 Lehrer/innen die 75-Jahrfeier der Schule mit einem großen Festakt in der Aula.

1970-2018

Im Dezember 1970 erhielt die Mädchenmittelschule I endlich einen Namen: LUISE-HENSEL-SCHULE, STÄDTISCHE REALSCHULE FÜR MÄDCHEN.
1972 wurden Johanna Gülpen in den Ruhestand verabschiedet, Nachfolger wurde Gerd Kalker.
1973 wurden mit den neuen 5. Klassen erstmals auch Jungen an der Schule aufgenommen.
1976 wurde an der Luise-Hensel-Realschule die differenzierte Oberstufe eingeführt.
1988 schied Gerd Kalker aus dem Schuldienst aus. Es folgten in der Schulleitung Laurenz van Treeck (1988-2001), Sibylle Reuß (2001-2011) und seit 2011 Michael Höbig.

 

Wer war Luise Hensel?

Als Luise Hensel am 30. März 1798 in dem kleinen Dorf Linum bei Berlin als Tochter eines evangelischen Pfarrers geboren wurde, war der Schulbesuch für Mädchen noch eine Seltenheit.
Nach dem Tod ihres Vaters zog Luise 1809 mit elf Jahren nach Berlin. Dort gab es schon eine Mittelschule für Mädchen, die sie besuchen durfte.
Obwohl sie sehr neugierig und intelligent war, durfte sie kein Abitur machen und nicht studieren. Das durften nur Jungen. Luise lernte darum für sich alleine weiter: Latein, Französisch, Philosophie, Theologie und Sternenkunde. Das muss sie ziemlich gut gemacht haben, denn mit 18 Jahren bekam sie Arbeit als Privatlehrerin in einer reichen Familie.
Die Freunde von Luise und ihrem Bruder Wilhelm waren sehr gebildet und hatten viel Ahnung von Musik, Geschichten und Gedichten. Auch Luise begann früh, Gedichte zu schreiben.
Luise war ein sehr gläubiger Mensch. Nach ihrer Konfirmation wollte sie lieber katholisch werden und lernte viele Menschen kennen, die sich für die Armen einsetzten.
In Aachen gab es eine Mittelschule für die Töchter der reichen Fabrikbesitzer: St. Leonard, das heutige Gymnasium. 1827 ging Luise mit 29 Jahren als Lehrerin an diese Schule. Ihr besonderes Ziel war es, die reichen Mädchen auf das schwierige Leben der armen Arbeiterfamilien aufmerksam zu machen. Sie verteilte Lebensmittel, betreute alte Menschen und pflegte Kranke.
Luise Hensel hatte drei Schülerinnen, die viel von ihr gelernt haben und später selbst berühmt wurden: Franziska Schervier, Pauline von Malinckrodt und Clara Fey. Als Erwachsene leiteten sie Klöster, in denen Ordensfrauen sich für Arme und Kranke einsetzten. In Burtscheid gibt es Straßen, die nach den drei Schülerinnen benannt sind.
Luise Hensel lebte fünf Jahre in Aachen. Nach 1832 wirkte sie in verschiedenen anderen Städten als Erzieherin, Krankenschwester und Helferin der Armen. Zuletzt lebte sie in Paderborn in Westfalen, wo sie am 18. Dezember 1876 starb. Sie ist dort auf dem Alten Friedhof beerdigt.